Kattowitz

Kattowitz (Katowice)

Geschichte

Im Mittelalter war anstelle der heutigen Großstadt Kattowitz nur Urwald, lediglich im Nordosten der heutigen Stadt wird an der Stelle des wüsten Dorfes Bogutschütz ein freies Eisenhammerwerk – später „Bogutzker Hammer“ genannt – urkundlich erwähnt. Auf dem vom Hammerbetrieb abgeholzten Gelände südlich der Rawa wurde dann vor 1598 das Gärtnerdorf Kattowitz angelegt. Im Jahre 1548 verkaufte die Standesherrschaft Pless das Kattowitzer Gebiet an Stanislaus Salamon von Benediktowitz, dessen Erbin Katharina Salamon (+ 1614) ihre grundherrschaftlichen Rechte in zwei Prozessen in Bogutschütz durchsetzte, so dass die Meister den Eisenhammer 1602 verließen. Seitdem wurde er nur noch zeitweise betrieben und 1755 vollkommen eingestellt.

Eine grundlegende Wende brachte die Industrialisierung. Nach mehrfachem Besitzwechsel erwarb der Eisenfachmann Johann Friedrich Koulhaas das Kattowitzer Gebiet im Jahre 1799. Er und seine Erben gründeten in den Folgejahren hier die Beategrube und nahmen ein sog. Frischfeuer zur Ausschmelzung von Roheisen in Betrieb. Auf dem Gelände des Vorwerkes Karbowa wurden die Emma-Grube sowie die Emma-Zinkhütte eingerichtet. Dennoch blieb die Industrialisierung in der Region zunächst rückständig.

Erst der Verwalter der Grundherrschaft von Franz Winckler (1803 – 1851, seit 1840 von Winckler), Friedrich Wilhelm Grundmann (1804 – 1887), erkannte die Nutzlosigkeit der Kohlenschürfung sowie der Hüttenbetriebe im südlichen Teil von Kattowitz und verlegte den Schwerpunkt der Industrie auf das Gebiet nördlich der Rawa. Unter seiner Leitung entstanden hier zwischen 1852 und 1862 die Ferdinand-Grube sowie die Martha-Hütte, welche zunächst als Zinkhütte, später als Eisenwalzwerk betrieben wurde. Grundmanns Schwiegersohn, der Arzt Dr. Richard Holtze, bemühte sich in dieser Zeit um die verwaltungsmäßige Neuordnung der wachsenden Siedlung und erreichte 1865 Stadtrecht für Kattowitz, das bereits in den 1830er Jahren vom Fürstentum Pless abgetrennt worden war.

Das Erbe von Franz von Winckler war nach dessen Tod in den Besitz seiner Tochter Valeska (1829 – 1880) übergegangen, die durch Ehe mit dem Offizier Hubert Gustav von Tiele durch Namen- und Wappenvereinigung zu Valeska von Tiele-Winckler wurde. Ihr Sohn Franz Hubert von Tiele-Winckler (1857 – 1922) war bis zum Ersten Weltkrieg der letzte Privatbesitzer der Tiele-Wincklerschen Berg- und Hüttendirektion. Im Jahre 1875 gab es in Kattowitz sechs Eisenhütten, elf Zinkhütten und 14 Steinkohlegruben. Die im Jahre 1889 aus dem Tiele-Wincklerschen Montanbesitz gebildete „Kattowitzer AG für Bergbau und Eisenhüttenbetrieb“ hatte ihren Sitz in Kattowitz.

Franz (von) Winckler
(* 4. August 1803 in Tarnau bei Frankenstein, + 6. August 1851)

Franz Winckler begann seine Laufbahn als Bergarbeiter in einem oberschlesischen Erzbergwerk. Da er talentiert war, fiel er auf und wurde ab 1821 mit Unterstützung des königlichen Bergamtes auf die Bergschule in Tarnowitz geschickt. Anschließend arbeitete er als Schichtleiter im Galmei-Bergwerk Marie bei Miechowitz. Durch dessen besitzer, FRanz Freiherr von Aresin, wurde er bald zum Bergwerksleiter befördert. Nachdem Franz von Aresin starb, wurd Franz Winckler für die Erben unentbehrlich. In erster Ehe war Winckler mit Alvine Kalide verheiratet, nach deren Tod 1829 heiratete er 1832 die Witwe seines verstorbenen Arbeitgebers, Maria Freifrau von Aresin. Dadurch bekam er die Aresin'schen Besitzungen unter seine direkte Kontrolle. Er baute die industriellen betriebe in Miechowitz aus und erwarb 1838 und 1839 noch die Rittergüter Kattowitz und Myslowitz.

Als Bergwerks- und Hüttenbesitzer sowie Gutsherr auf Miechowitz wurde Franz Winckler 1840 in den preußischen Adelsstand erhoben. Da das Ehepaar Winckler das Bergregasl in seinen Besitzungen erstritt, konnte Franz von Winckler ohne staatliche Eingriffe Bergbau betreiben. Auf seinen Einsatz hin wurde Kattowitz schon 1846 in das preußische Eisenbahnsystem ingetriert. Er besaß schlißlich acht Güter mit großem Landbesitz, mehrere Industrieunternehmen, Erz- und Steinkohlegruben, 14 Galmei-Gruben und 69 Steinkohlefelder. Außerdem beschäftigte er mehr als 4.000 Arbeiter und Angestellte. Durch seine Tätigkeit sowie das Engagement seiner leitenden Angestellten entwickelte sich Kattowitz schnell von einem Dorf zu einer bedeutenden Industriesiedlung.
Das Stadttheater um 1918 (Postkarte)

 Die Stadt wurde durch repräsentative Verwaltungsneubauten, breit angelegte Straßen und weiträumige Plätze zu einer schönen und modernen Großstadt. Von 1825 bis 1905 erhöhte sich die Einwohnerzahl von 675 auf 35.773 Personen. Mehrere Dörfer der Umgebung wurden in die Stadt eingemeindet. Auch verschiedene Kirchen und Schulen wurden in dieser Zeit erbaut. Eine Krönung des deutschen Kulturlebens in Kattowitz war 1907 die Eröffnung des Stadttheaters am Ring.

Trotz einer Mehrheit von 85,4% für Deutschland in der Volksabstimmung von 1921 wurde Kattowitz im Folgejahr an Polen abgetreten. Dadurch wurde die Stadt zum Verwaltungssitz der Wojewodschaft Schlesien. Parallel verkaufte Franz Hubert von Tiele-Winckler seine Besitzungen an Friedrich Flick. In der Zwischenkriegszeit wurden in der nun polnischen Metropole u.a. die Christkönig-Kathedrale und das Wojewodschaftsgebäude errichtet.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde Kattowitz zum Sitz der wiederum deutschen Provinz Oberschlesien. Bei Kriegsende waren ca. 40.000 Einwohner von Kattowitz vor der Roten Armee geflüchtet, weitere 20.000 Deutsche wurden in den Folgejahren vertrieben. Im Mai 1953 wurde die Stadt in Stalinogród umbenannt, was aber bereits drei Jahre später rückgängig gemacht wurde. In der Volksrepublik Polen wurde Kattowitz in den folgenden Jahrzehnten im Stil des Sozialistischen Realismus weiter ausgebaut. Seit der politischen Wende von 1989 verändert die Stadt jedoch erneut ihr Gesicht und entwickelt sich immer mehr von einem Zentrum der Montanindustrie in eine moderne, von Informationstechnik und Wissenschaft geprägte Kulturstadt.

Sehenswürdigkeiten

Stadttheater

Hauptfassade des Theaters.

Das Kattowitzer Stadttheater, heute Teatr Śląski, wurde in den Jahren 1906 bis 1907 in vereinfachten neuklassizistischen Formen mit Jugendstilelementen am Ring erbaut. Ein Umbau der Innenräume erfolgte in den 1970er Jahren.

Das Gebäude besteht aus einem rechteckigen Bühnenhaus mit Bühnenturm sowie einem halbrunden Zuschauerhaus und einem Portikus mit Vestibül. Der Portikus ist durch mehrere Reliefs und Portalfiguren geschmückt.

Figuren über den Eingängen.


Kath. Pfarrkirche St. Maria

Am Ende der ehem. Holtzestraße (heute ul. Mariacka) befindet sich die neogotische Sandsteinkirche aus den Jahren 1862 bis 1870. Das einschiffige, kreuzrippengewölbte Langhaus wird von zwei Treppentürmen flankiert. Der rechteckige Westturm hat einen oktogonalen Aufsatz sowie einen Spitzhelm. Die davor befindliche ul. Mariacka ist heute mit zahlreichen Restaurants und Cafés ein Ort städtischer Gemütlichkeit. Auch in der weiteren Umgebung finden sich noch einige schöne Häuser aus der Jahrhundertwende.

Blick durch die u. Mariacka zur Pfarrkirche.


Architektur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts

Alt und Neu stehen in Kattowitz nahe beieinander...

... teilweise schön renoviert wie der alte Bahnhof.

Kath. Christkönig Kathedrale

Die Christkönig-Kathedrale wurde nach einem Wettbewerb der im Jahre 1925 neu gegründeten Diözese Kattowitz nach einem preisgekrönten Entwurf von Z. Gawlik zwischen 1927 und 1939 sowie 1948 und 1956 errichtet. Die Doppelkirche mit neoklassizistischen Formen besteht aus einem rechteckigen Zentralbau mit Säulenportikus im Norden sowie einer pfeilergestützten Flachkuppel in der Mitte. Umgeben wird diese von Kristallgewölben, Eckkapellen und einer Musikempore. Die moderne Ausstattung stammt aus der Nachkriegszeit. Vor dem Haupteingang dominiert eine übergroße Statue von Papst Johannes Paul II. den Platz.
 Inneres der Christkönig-Kathedrale.

Kuppel der Christkönig-Kathedrale

Wojewodschaftsamt
und Schlesischer Landtag

Das palastartige Gebäude wurde zwischen 1924 und 1929 in neuklassizistischen Formen als fünfgeschossiger Vierflügelbau errichtet.

Im Innenhof befindet sich der halbrunde Landtagssaal. Die Fassade ist mit Pilastern gegliedert und wird durch ein politisch geprägtes ikonographisches Programm geprägt. Dazu gehören v.a. schlesische Stadt- und das polnische Staatswappen.

Details der Fassade...

...sowie die Ansicht des Nordeingangs.

Józef Piłsudski Monument

Das Denkmal für den polnischen Marschall Józef Piłsudski wurde erst nach der politischen Wende in Polen im Jahr 1993 auf dem Bolesław Chrobry-Platz vor dem Gebäude des Marschallamtes der Woiwodschaft Schlesien enthüllt.

Das Denkmal wurde von der Oberschlesischen Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg in Auftrag gegeben, die Bronzestatue erreichte Polen jedoch 1939 nicht mehr vor Kriegsbeginn. Deshalb stand sie viele Jahre lang in einem jugoslawischen Museum. Im Jahre 1998 wurde die Figur von Marschall Piłsudski zu Pferd auf einen sechs Meter hohen Sockel gestellt.

Bolesław Chrobry-Platz.


Denkmal für den polnischen Marschall Józef Piłsudski.


„Spodek“ und das moderne Kattowitz

Zentrum des modernen Kattowitz ist die Mehrzweckhalle „Spodek“ (dt. „Untertasse“), die im Jahre 1971 endgültig fertiggestellt wurde. 2011 bis 2013 wurde die Fassade umfangreich renoviert. Sie ist von großen Straßen und mehrstöckigen Plattenbauten der kommunistischen Ära umgeben.
Die Mehrzweckhalle "Spodek"....

... und weitere Kunst im "Sozialistischen Realismus".

Museen

Schlesisches Museum (Muzeum Śląskie)

Blick auf die historischen Gebäude des Museums.

Das Schlesische Museum in Kattowitz wurde ursprünglich im Jahre 1929 gegründet, im Zweiten Weltkrieg aber von der deutschen Besatzungsmacht zerstört. Erst im Jahre 1984 wurde es im ehemalige Grand Hotel Wiener an der al. Korfantego 3 neu eingerichtet. Zwischen 2011 und 2014 wurde ein neues Gebäude für das Museum in der ehemaligen „Zeche Katowice“ gebaut. Das neue Museumsgebäude umfasst insgesamt sieben Stockwerke. Zentral sind die drei unterirdischen Ebenen, die in das stillgelegte Bergwerk integriert wurden.

Die Ausstellung umfasst heute insbesondere eine Galerie der polnischen Kunst zwischen 1800 und 1945, die Galerie nicht-professioneller Kunst sowie im untersten Stockwerk eine Ausstellung schlesischer religiöser Kunst und die Geschichtsausstellung „Das Licht der Geschichte: Oberschlesien im Laufe der Zeit“. Diese Ausstellung war lange politisch in Polen umstritten. Heute sieht der Besucher hier eine recht ausgewogene Darstellung der oberschlesischen Geschichte – in polnischer, deutscher, englischer und „oberschlesischer“ Sprache. Die mit modernster Museumstechnik ausgestattete Ausstellung überzeugt jedoch leider nicht überall, ist aber auf jeden Fall sehenswert.

Öffnungszeiten
täglich 10:00 - 20:00 Uhr
montags geschlossen

Weitere Informationen (in polnischer und englischer Sprache) gibt es hier:

Muzeum Śląskie

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Historischer Förderturm auf dem Museumsgelände
Eingangsbereich des Museums.

Ausstellung schlesischer religiöser Kunst
Historische Ausstellung „Das Licht der Geschichte: Oberschlesien im Laufe der Zeit“
Mehrsprachige Darstellung der mittelalterlichen Geschichte...

 ...und das 19. Jahrhundert.

Darstellung der sprachlichen Verhältnisse...

...sowie der Abstimmung von 1921.

In der Umgebung

Arbeitersiedlung Nickischschacht (Nikiszowiec)

Durchgang im Komplex Nickischschacht mit Blick auf die St. Anna Kirche.

Im Auftrag des Geh. Bergbaurates Anthon Uthemann wurde zwischen 1904 und 1912 die Arbeitersiedlung Nickischschacht für Bergarbeiter und Beamte an der Giescha-Grube bei Kattowitz erbaut.

Die Stadtsiedlung auf unregelmäßigem Grundriss ist v.a. durch Tordurchfahrten sowie einen zentralen Marktplatz mit Kirche und öffentlichen Gebäuden charakterisiert. Charakteristisch sind hier die dreigeschossigen Mehrfamilienhäuser mit Backsteinfassaden und vielfältigen Dekorationen.

Verziertes Gebäude am zentralen Platz der Siedlung...

...und ein typischer Hauseingang.
 St. Anna Kirche

Im Zentrum der Arbeitersiedlung Nickischschacht steht die St. Anna Kirche, die mit Unterbrechung im Ersten Weltkrieg zwischen 1914 und 1925 im neobarocken Stil erbaut wurde. Die Weihe der Kirche erfolgte erst im Jahr 1927 – mit polnischem und deutschem Gottesdienst.

Neobarocker Altarraum...

...und neobarocke Kanzel.

Anreise

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