Pitschen

Pitschen (Byczyna)

Geschichte

Vermutlich handelt es sich bei Pitschen um eine alte slawische Siedlung. Die deutschrechtliche Gründung der Stadt muss für die Zeit angenommen werden, in der auch die Nachbarstädte Kreuzburg (vor 1252) und Konstadt (1261) entstanden. Die Verleihung aller Zehnten im Bezirk von Pitschen durch den Bischof von Breslau an das Domkapitel im Jahre 1268 wird in diese Zeit fallen, denn mit dem Pitschener „districtus“ wird vermutlich das Weichbild der Stadt gemeint sein. Indirekt ist die Stadt im Jahr 1283 belegt, als „Ekehard de Pitchin“ als Ratmann in Kalisch genannt wird. Im gleichen Jahr ist auch die Pfarrkirche St. Nikolaus durch Nennung des Pfarrers belegt. Die Stadt Pitschen wurde in typischer Form auf einem nach Norden abfallenden Hügel mit einem ovalen Grundriss, Straßen im Schachbrettmuster und einem zentralen Ring errichtet. Die Stadtmauer wird nur durch das „Deutsche Tor“ im Westen sowie das „Polnische Tor“ im Osten unterbrochen.

Pitschen gehörte ursprünglich zum Oppelner Land, wurde aber 1202 bei der Abtrennung Oberschlesiens von Niederschlesien dem Breslauer Landesteil zugeschlagen. So kam die Stadt mit ihrem Umland 1294 an das Herzogtum Glogau und 1312 bei dessen Teilung an das neu entstandene Herzogtum Oels, wurde aber bereits 1323 dem Herzogtum Brieg einverleibt, dem es dann für lange Zeit angehörte. Unter der Herrschaft der Brieger Piasten konnte die Reformation 1544 endgültig in Pitschen eingeführt werden. Sie wurde erst ab dem Jahr 1675, als die Brieger Piasten ausstarben, durch die Gegenreformation der Habsburger Landesherren bedroht. Deren Maßnahmen mussten aber schon nach der Altranstädter Konvention von 1707 rückgängig gemacht werden.
Pitschen blieb immer eine kleine Handwerkerstadt, in der die Leinenweberei und das Brauwesen eine Hauptrolle spielten. Die Nähe zur polnischen Grenze (ca. 4 km) förderte jedoch den internationalen Handel. So hatte die Stadt bereits 1553 drei und 1736 sechs Jahrmärkte, auf denen v.a. Flachs, Honig, Wachs und Vieh gehandelt wurde. Dass Pitschen mit dem „Pitschener Scheffel“ ein eigenes Getreidemaß hatte, spricht für die hohe Bedeutung der Stadt für den regionalen Handel.

Schlacht von Pitschen im Jahre 1588

Eine welthistorische Schlacht ereignete sich im Jahre 1588 vor den Toren der Stadt: Im Streit um die polnische Krone zwischen dem habsburger Erzherzog Maximilian III. und Prinz Sigismund Wasa von Schweden trafen am 24. Januar dieses Jahres das 12.000 Mann starke Heer des polnischen Kronfeldherrn Jan Zamoyski und die 5.000 Mann des österreichischen Erzherzogs zur Entscheidungsschlacht aufeinander. Maximilian wurde geschlagen und zog sich in die Stadt zurück und ergab sich einen Tag später. Die Stadt Pitschen jedoch wurde von den polnischen Truppen geplündert und bis auf die Pfarrkirche abgebrannt.


Auch im Dreißigjährigen Krieg hatte die Stadt unter verschiedenen Besatzungen zu leiden. Ebenso fügten ihr viele Brände Schaden zu. Erst nach einem Großbrand im Jahre 1757 – also in preußischer Zeit – wurden die Häuser der Stadt in massiver Steinbauweise errichtet. Mit der preußischen Eroberung Schlesiens gehörte Pitschen zum Landkreis Kreuzburg, der dann 1820 dem Regierungsbezirk Oppeln zugeschlagen wurde. Auf diese Weise kamen Stadt und Land nach über 600 Jahren wieder zu Oberschlesien.

Pitschen im Jahre 1942 (Postkarte)


Im Jahre 1910 waren die Bürger der Stadt Pitschen überwiegend deutschsprachig (82%), im Gegensatz zum polnischsprachigen Umland. Es verwundert daher nicht, dass die Stadt 1921 bei der Volksabstimmung mit ca. 97% für den Verbleib bei Deutschland stimmte. Nach der neuen Grenzziehung zwischen Deutschland und Polen verlor die Stadt jedoch einen Großteil ihres wirtschaftlichen Hinterlandes.

Bereits bei Beginn des Zweiten Weltkrieges spielte Pitschen wegen seiner direkten Lage an der polnischen Grenze eine größere Rolle, als hier durch die SS ein provokatorischer Überfall auf das Pitschener Forsthaus vorgetäuscht wurde. Die Rote Armee erreichte Pitschen am 19. Januar 1945. Nach Kriegsende wurde Pitschen in Byczyna umbenannt, die deutsche Bevölkerung wurde weitgehend vertrieben und Bevölkerung aus dem Osten Polens angesiedelt. Heute gehört Pitschen / Byczyna zur Wojewodschaft Oppeln.

Sehenswürdigkeiten

Pitschen aus der Vogelperspektive
(Byczyna z lotu ptaka)


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Rathaus und Ring

Das barock-klassizistische Rathaus in der Mitte des Ringes wurde nach mehreren Bränden (1719, 1757) im Jahr 1766 unter Verwendung von gotischen Mauerresten aus dem 15. Jahrhundert neuerrichtet.  Im Jahr 1889 wurde der Bau renoviert, nach einem Brand im Jahre 1945 in den 1960er Jahren wiederaufgebaut. Der zweigeschossige Bau hat im Westen einen Turm aus dem 16. Jahrhundert mit pilastergeschmückten Ecken und klassizistischem Spitzhelm. Über der Freitreppe im Osten befindet sich eine Kartusche mit Stadtwappen, kaiserlichem Adler und Inschrift betreffend des Wiederaufbaus im Jahre 1719.
Rathaus mit Ring.

Kartusche mit Stadtwappen.

Evangelische Kirche St. Petrus
(ehem. St. Nikolaus)

Die Pfarrkirche der Stadt im Nordosten des Ringes wurde Ende des 14. Jahrhunderts aus Backsteinen im gotischen Stil errichtet. Seit etwa 1556 ist sie evangelisch, nur im Rahmen der Gegenreformation wurde sie zwischen 1694 und 1707 wieder von der katholischen Gemeinde genutzt. Der Bau wurde um 1790 renoviert und 1886 bis 1888 regotisiert. Seit 1945 ist die Kirche Filiale der Evangelisch-Augsburgischen Gemeinde in Konstadt (poln. Wolczyn).

Am Chor im Norden befindet sich eine alte tonnengewölbte Sakristei mit einer Inschrift der evangelischen Pastoren. Der Westturm hat eine neogotische Bekrönung. Im Mittelschiff sind neogotische Deckenmalereien.

In der Kirche sind zudem ein gotisches Kruzifix aus dem 16. Jahrhundert sowie ein Renaissance-Votivgemälde des Pastors Albrecht Opala mit Familie und Taufe Christi im Hintergrund (um 1566) sehenswert. Hinzu kommt eine Gedenktafel für den 1709 in Pitschen bestatteten Prinzen Maximilian von Württemberg und Teck aus den 1930er Jahren.

Kirchenschiff mit Kapelle und Turm.

Renaissance-Votivgemälde des Pastors Albrecht Opala (um 1566)

Neogotische Deckenmalereien im Mittelschiff
Liste der evang. Pastoren in der Sakristei

Gotisches Kruzifix

Gedenktafel für den Prinzen von Württemberg

Katholische Kirche zur Hl. Dreifaltigkeit

Die barocke Saalkirche mit Westturm und Zwiebelhaube wurde im Jahre 1767 errichtet. Der spätbarocke Hauptaltar enthält ein ovales Gemälde der Hl. Dreifaltigkeit. Die Kanzel ist barock-klassizistisch.

Blick durch das ehem. "Deutsche Tor"

Türme der kath. Pfarrkirche

Stadtmauern mit Türmen

Die vier bis sieben Meter hohe und bis zu 1,5 Meter dicke gotische Stadtmauer aus dem späten 15. und dem 16. Jahrhundert ist fast lückenlos erhalten. Sie wurde aus Backsteinen errichtet und nach der Zerstörung der Stadt 1588 wiederaufgebaut. Lediglich die beiden Tore sind nicht erhalten. Sie wurden vermutlich abgerissen, um einen besseren Verkehrsfluss in die Stadt zu ermöglichen. Am ehemal. „Deutschen Tor“ im Westen hat sich der Torturm mit spitzbogiger Fußgängerpforte erhalten, am ehem. „Polnischen Tor“ im Osten der 14 Meter hohe Torturm mit stadtseitiger Pforte. Im Nordosten wurde die Mauer später mit Strebepfeilern verstärkt.

Stadtmauer im Süden

Stadtmauer im Osten mit Stützpfeiler und Turm des "Polnischen Tores"

Friedhofskapelle St. Hedwig



Auf dem Friedhof, etwas außerhalb der Altstadt, befindet sich das älteste Gebäude der Stadt: die Friedhofskapelle. Der erstmalig 1383 erwähnte Saalbau stammt eindeutig aus dem 14. Jahrhundert, wurde aber mehrfach umgebaut. Die aus Backsteinen errichtete Kapelle ist dreijochig mit Flachdecke mit tonnengewölbter Sakristei und kreuzgratgewölbter Vorhalle.


(C) Gerd-Udo Kasperczyk, 2022.


In der Umgebung

Hölzerne Burg bei Bischdorf (Biskupice)

An einem Stausee in der Nähe von Pitschen wurde eine slawische Festung des ersten nachchristlichen Jahrtausends neu errichtet. Sie wird durch ein 6 Meter hohes, hölzernes Pfahlwerk umgeben. Die Burg enthält Tribünen für 350 Personen, Wachtürme, sowie ein altpolnisches Wirtshaus mit traditioneller Kost. Die Burganlage kann besichtigt werden.

Rekonstruierte slawische Holzburg...

Weitere Informationen

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... mit Tribünen für Mittelalterspektakel im Inneren.


Anreise

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