Sprachen

Sprachen in Oberschlesien


Oberschlesien liegt in einem Übergangsgebiet zwischen den beiden westslawischen Sprachen Polnisch und Tschechisch und weist daher mehrere Übergangsdialekte auf. Diese sind zudem stark durch das bis 1945 v.a. im Westen gesprochene Deutsch beeinflusst.
Bis 1945 wurde in dem Neisser Land sowie den benachbarten Regionen im Südosten bis über Troppau hinaus deutsch gesprochen. Dabei handelt es sich v.a. um das „Gebirgsschlesische“ und die „Mundart des Brieg-Grottkauer Landes“, die z.B. in der Neustädter Region auch als „Pauersch“ bezeichnet wurde. Dieses deutsche Sprachgebiet reichte weit in den Süden bis nach Olmütz in Mähren. In den meisten größeren Städten Oberschlesiens wurde hingegen überwiegend Hochdeutsch – ggf. mit slawischer Klangfärbung – gesprochen. Aufgrund der Teilung Oberschlesiens nach dem Ersten Weltkrieg 1922 setzte sich Deutsch immer mehr auch als Umgangssprache der ehemals slawischen Bevölkerung im bei Deutschland verbliebenen Teil Oberschlesiens durch. So entstand die oberschlesische Zweisprachigkeit mit ihrem „Oberschlesischen Deutsch auf polnischem Substrat“.

Historisch gesehen, ist der zentrale Dialekt in Oberschlesien aber das auf dem Altpolnischen basierende „Schlesisch“ (auch „Wasserpolnisch“, „Schlonsakisch“ oder „po ślónsku“ genannt). Es wird in drei Regionen des Landes, dem Oppelner Land, dem Industrierevier um Kattowitz und im ehem. österreichische Gebiet um Teschen im Süden, gesprochen. In dieser Region leben derzeit ca. 5 Mio. Menschen, von denen etwa 1,5 Mio. Schlesisch verwenden. Beim Schlesischen handelt es sich um keinen einheitlichen Dialekt, sondern ein Mundartenkontinuum, das aus verschiedenen lokalen Mundarten besteht, die sich teilweise sehr stark voneinander unterscheiden. Dazu zählen im Norden Oberschlesiens die Oppelner Mundarten (gwary opolskie), links der Oder die Falkenberger und die Oberglogauer Dialekte (gwary niemodlińskie, gwary głogóweckie), die zentralen Mundarten um Groß Strehlitz und Gleiwitz (gwary strzeleckie, gwary gliwickie), im Süden die Teschener Mundarten (gwary cieszyń) sowie im Osten zwischen Lublinitz und Kattowitz die schlesisch-kleinpolnischen Übergangsdialekte (gwary pogranicza śląsko-małopolskiego). Im Gegensatz zum Hochpolnischen haben alle Schlesischen Dialekte gemeinsam, dass es keine Nassallaute ę und ą gibt. Sie werden wie on(g) oder un(g) gesprochen. Abgesehen von einer großen Menge von Entlehnungen aus dem Deutschen reiht sich das Schlesische in das Kontinuum polnischer Mundarten ein, die im Süden – insbesondere im Teschener Land – in das tschechisch-mährische Sprachkontinuum übergehen. So masurieren die nördlichen schlesischen Mundarten ähnlich wie im Kleinpolnischen (z.B. „capka“ statt hochpolnisch „czapka“ [Mütze]).

Aus: Schlesische Provinzialblätter, 1827.

Dennoch wird das Schlesische von zahlreichen Linguisten auch als eigene Sprachgruppe bezeichnet. Die Sprecher der Schlesischen Dialekte zeichnen sich zudem – insbesondere im Oppelner Land – durch eine gemeinschaftlich empfundene Identität aus.

Das westliche Teschener Land sowie das daran nordwestlich anschließende Gebiet um Ratibor und Troppau stellt eine besondere sprachliche Übergangszone zwischen den polnisch-basierten und tschechisch-basierten Dialekten Oberschlesiens dar. Im heute zu Tschechien gehörigen Teil des Teschner Landes wird bis heute neben einer mährisch-schlesischen Übergangsmundart auch das altpolnisch-basierte Schlesisch gesprochen – aber mit abnehmender Tendenz – sowie im Westen bis nach Troppau hin das sog. Lachische (tschechisch „lašský jazyk“, polnisch „język laski“ oder „lechicki“). Für die meisten tschechischen Linguisten ist Lachisch eine tschechische Mundart, während polnische Forscher diese eher dem Polnischen zuordnen. Wie auch immer, das Lachische ist dem schlesischen Dialektkontinuum zuzuordnen. Ähnlich wie das Schlesische enthält es auch viele deutsche Lehnwörter, die bis zu 8% des Wortschatzes ausmachen.
Durch die Vertreibung der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges spielt Deutsch heute als Muttersprache in Oberschlesien nur noch eine begrenzte Rolle. In den Vertreibungsgebieten wurde es vollkommen durch das Hochpolnische (oder zahlreiche sonstige polnische Dialekte) bzw. das Hochtschechische ersetzt. Insbesondere in der Wojewodschaft Oppeln haben sich jedoch zahlreiche Zweisprachige erhalten, die neben dem Schlesischen – trotz eines Verbotes der deutschen Sprache zwischen 1945 und 1990 – auch Deutsch als zweite Muttersprache sprechen. Sie bilden den Kern der „Deutschen Minderheit“, die v.a. im Oppelner Land aber auch um Ratibor herum politisch aktiv sind. Der Deutschen Minderheit gelang in 28 Gemeinden der Wojewodschaft Oppeln um 2010 die Einführung des Deutschen als zweiter Amtssprache (sog. „Hilfssprache“), verbunden mit der Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder.

Zweisprachiges Ortsschild von Kerpen, Gemeinde Oberglogau.
Das Schlesische wird bis heute weiter in der Oppelner Region als auch im östlich angrenzenden Teil Oberschlesiens wie auch im polnischen Teil des Teschener Landes gebraucht. Aufgrund des Assimilierungsdruckes der polnischen Hochsprache wird der Dialekt aber v.a in städtischen Siedlungen wie auch unter Gebildeten immer weniger gesprochen. Auch die kontinuierliche Abwanderung der Zweisprachigen nach Deutschland reduziert diese Sprachgruppe dauerhaft. Schlesisch konnte sich bis heute zudem nicht als Schriftsprache etablieren. Im zu Tschechien gehörigen westlichen Teschener Land wird dieser „polnische Dialekt“ auch immer weniger verwendet. Das Lachische – das von dem Literaten Ervín Goj (1905 – 1989) immerhin zur Literatursprache gemacht wurde – verschwindet ebenso langsam neben dem Hochtschechischen. Dennoch stellt Oberschlesien weiterhin eine durch zahlreiche unterschiedliche Dialekte und Sprachen gekennzeichnete Kulturlandschaft dar.
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